Wer kennt und nutzt sie nicht: Notizzettel, Memozettel, Haftnotizen und wie sie alle heißen.
Hat man viel zu notieren, kommen an einem Tag schon ganz schön viele zusammen.
Wer ein großer Fan davon ist, sitzt spätestens nach einer Woche mit einem ganzen Heer von Zetteln an seinem Schreibtisch. Wie das erst nach einem Monat, nach einem Jahr aussehen mag ?
Magnetwand, Pinntafel schaffen bei großer Zettelage im ersten Schritt Abhilfe. Die Zettel werden angepinnt oder gezweckt und die Zettelwirtschaft läuft vorerst in geordneteren Bahnen.
Bürocoachs empfehlen Zettelschreibern heutzutage in erster Linie ein Heft zu nutzen, das kann man schnell wegräumen und keine Notiz geht verloren.
Das ist das jähe Ende der Reißzwecken, Pinnnadeln, Pinnwände.
Was ist, wenn man aber nicht vom traditionellen Zettelschreiben lassen kann ? Eine Pinnwand kann auch ein kleines Kunstwerk sein. Das A und O ist hier die Reißzwecke oder Pinnnadel als Handwerkszeug.
Die bunten, goldenen, pieksigen Dinger sind schön anzusehen, wer die erfunden hat, muss ein zettelreicher Praktiker gewesen sein.
Zufällig fahre ich heute in Bad Liebenwerda an einem Backsteinhaus mit einem großen Schriftzug REISS vorbei, das könnte damit etwas zu tun haben.
Und in Lychen habe ich mich an ZWECKEN als Hinweis- und Informationstafeln orientiert. Beide Städte liegen in Brandenburg und dazwischen ca. 3,5 Stunden Autofahrt.
Neugierig geworden ? Mir gefällt die ZWECKEN- Story und deshalb schreibe ich sie auf:
Johann Kirsten ein Uhrmacher aus Lychen ist wenig bekannt, er soll um 1900 gelebt haben.
In der Überlieferung erscheint er als ein etwas verkrachtes Genie mit tausend Einfällen. Unter anderem kreierte er – wie vermutet wird, wohl auch aus persönlichem Interesse – ein wiederverschließbares Ventil für Bierflaschen.
Man kann sich gut vorstellen, wie er all seine Ideen auf zahllose Zettel notierte, die dann lose zwischen Aufträgen und Bestelllisten in seiner Werkstatt herumlagen, und wie er, um darin ein wenig Ordnung zu schaffen, die „Pinne“ ersonnen hat, einen Stift mit Schutzkappe, mit dem er seine Zettel verletzungsfrei an die Wand pinnen konnte.
Offenbar konnte Kirsten sich schon vorstellen, dass auch andere Leute seine Erfindung gebrauchen könnten.
So begann er, täglich ein paar Tüten davon für den Verkauf zu produzieren.
Wirklich clever war er aber offenbar nicht: Für wenig Geld gab er die Rechte an der Heftzwecke an den Kaufmann Otto Lindstedt ab, der sie sich am 8. Januar 1904 patentieren ließ und anschließend auf den Markt brachte.
Im Gegensatz zum Erfinder wurde Lindstedt reich − und nahm doch ein tragisches Ende: Anfang Mai 1945 hat er sich aus Angst vor der anrückenden Sowjetarmee mit Sohn, Schwägerin und drei Enkeln vergiftet.
Die „Pinnen“ wurden bis in die 1960er Jahre in Lychen weiter produziert.
Ihren zweiten Namen Reißzwecke hat die „Pinne“ von Robert Reiss aus Bad Liebenwerda, der das Marketingpotenzial seines Namens nutzte und Produkte aller Art rund ums Vermessen und technische Zeichnen herstellte und versandte.
Sie ist also genauer gesagt eine Reiss-Zwecke und im Übrigen für das Fixieren von Papier auf dem Zeichenbrett besser geeignet als die Lychener Erfindung: Spitz wie eine Nadel, entsteht bei ihrer Verwendung nur ein sehr kleines Loch. Zieht man sie heraus – wozu umgehend auch ein Reißzweckenheber kreiert wurde –, reicht die Luftfeuchtigkeit, um das Loch wieder zu verschließen.
Beide Erfindungen sind technisch unterschiedlich konstruiert und somit hat jeder Stift sein eigenes Patent.
(Quellen: Buch: „Genial – Erfindungen aus Berlin und Brandenburg“ von Petra Kabus/Constanze Schröder; www.mwfk.brandenburg.de; www.anais2317.com)
An dem Haus vom Uhrmacher Johann Kirsten bin ich vorbei gelaufen. Ein großes Plakat „ZU VERKAUFEN“ war in ein Fenster geklebt.
Vielleicht gibt es einen potentiellen Käufer/ Interessenten, der wie der Uhrmacher all seine Ideen auf zahllose Zettel notiert und beim Durchsuchen auf eine Idee für das Erfinderhaus und deren Nutzung stößt.
Uhrmacher Kirsten würde es sicher freuen -:))
twohalf
Der Bürocoach hat null Ahnung. Was ist wenn irgendeiner dieses Heft verlegt? Alle wichtigen Memos sind weg…… Ich nutze die moderne Reisszwecke …… Klebezettel …… weil eine Zwecke bekomme ich weder in meinen Glasschreibtisch geschweige denn in meine Monitore.
Joachim
Hi Marina,
sehr gut geschrieben. Aus der Heftzwecke wurde in Lychen der Stift aus der Platte herausgestanzt. Die Pinne hatte oben immer ein dreieckiges Loch.
Herzl. Gruß
Joachim
mbeckert
Hallo Joachim,
danke für die anerkennenden Wort. Ich habe mich sehr gefreut. Mittlerweile kann ich auch nachvollziehen, daß für einen Blogger Kommentare wichtig sind. Kommentare stärken die Motivation zum Schreiben.
Viele Grüße nach Lychen und einen schönen Tag wünscht Ihnen Marina